Der Wildschütz Jennerwein
Georg Jennerwein ist wohl der bekannteste Wildschütz aus dem Oberland. Obwohl es zu seinen Lebzeiten, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, sehr viele Wildschützen gegeben hat, ist der Jennerwein, aufgrund der Art, wie er sein Leben lassen musste, zu großem Ruhm gelangt. Hier ist nun eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse, die zum Tode des Georg Jennerwein am 6. November 1877 am Peißenberg bei Tegernsee führten.
Georg Jennerwein war ein uneheliches Kind. Seine Mutter heiratete in ein kleines Sachl bei Gelting in der Nähe von Wolfratshausen. Dort verbrachte der Girgl seine Jugendzeit. Doch je älter der Knabe wurde, desto öfters kam es zu Streitigkeiten mit seinem Stiefvater. Vor allem die Wilderei, der der Jennerwein bereits in jungen Jahren in der Wolfratshausener Gegend nachging, führte oft zu Auseinandersetzungen in seinem Elternhaus. Deswegen ging er von zu Hause fort und nahm eine Stellung als Holzknecht in der Nähe von Westenhofen beim Schliersee an. Jennerwein musste den Frankreichfeldzug 1870/71 mitmachen, zusammen mit seinem Freund, dem Unterschwaigbauern Markus Hofberger aus Westenhofen, der zugleich auch sein Hausherr war. Das erste Zusammentreffen zwischen Georg Jennerwein und Josef Pföderl, dem Jagdgehilfen, der ihn später erschoss, fand 1873 statt. Josef Pföderl war zu dieser Zeit als Fuhrknecht in Reichersbeuren in Stellung. Er saß in seiner Freizeit gerne im Wirtshaus und vertrank dort sein schwer verdientes Geld. Dementsprechend war auch sein Erscheinungsbild, sein Sonntagsanzug sah ziemlich schäbig aus. Da er aber gerne was darstellen wollte, fasste er den Entschluss, Jagdgehilfe zu werden, denn eine Leidenschaft von ihm war die Jagd. Seine Freundin, die Sennerin Agerl, wollte ihm dabei helfen und ihm sogar Geld borgen, damit er sich ein Gewehr kaufen konnte. Im August 1873 gingen die beiden auf dem Tölzer Jahrmarkt zum Tanzen. Dort erschien auch der Jennerwein, der durch sein Auftreten der Agerl auffiel. Auch dem Jennerwein gefiel die hübsche Sennerin, und bald sah man die beiden des Öfteren miteinander tanzen. Der Pföderl hatte, wie man sich leicht vorstellen kann, eine Mordswut auf den Jennerwein. Auf dem Nachhauseweg lauerte er dem Jennerwein auf und wollte ihn verprügeln. Jedoch der Girgl war stärker, und der Pföderl bekam eine Tracht Prügel. Der "Jennerwein Girgl", wie er allgemein genannt wurde, war Holzarbeiter rund um den Schliersee herum. Er war ein guter Zitherspieler, G´stanzlsänger, Schuhplattler - und vor allem war er ein guter Schütze. Einige seiner Zeitgenossen bezeichneten ihn aber auch als Weiberhelden, Raufbold und Wirtshausbruder, der öfter auf dem Tanzboden anzutreffen war, als bei einer geregelten Arbeit. Jeder wusste, dass Jennerwein ein Wildschütz war, aber beweisen konnte es ihm keiner. Die Mädchen sahen in ihm einen schneidigen und mutigen Burschen, der sich von niemandem unterdrücken ließ. Der Girgl hatte graue Augen und einen verwegen schiefsitzenden Schneidezahn.
Der "Hennerer" war seine Stammwirtschaft, aber er besuchte auch gerne alle anderen Wirtschaften in der Schlierseer Gegend. Seine bevorzugten Freundinnen waren die Kellnerin "Rosl", die beim Hennerer bediente, und die Sennerin Agerl von der Baumgarten-Alm die auch die Mutter seiner Tochter Rosl wurde. Nachdem eben diese Agerl nichts mehr vom Pföderl wissen wollte, ging er aus Reichersbeuren weg und nahm eine Stellung in Euterrottach in der Nähe von Tegernsee an. Er arbeitete dort auch wieder als Fuhrknecht. Er fiel dem Vorarbeiter durch seinen Fleiß und seine Zuverlässigkeit auf. Da diesem bekannt war, dass der Sepp gerne Jagdgehilfe werden wollte, sprach dieser für ihn beim Förster Mayr vor. Und so kam es, dass sein Wunsch, Jagdgehilfe zu werden, doch noch in Erfüllung ging. Zusammen mit seinem Kollegen Lechenauer durchstreifte er nun das Jagdrevier am Tegernsee. Noch immer hasste der Pföderl den Jennerwein, weil er ihm vor ein paar Jahren seine Agerl ausspannte. Er schwor sich deshalb, den Jennerwein zu erschießen, falls er ihn einmal in seinem Revier antreffen sollte.
Am 6. Nov. 1877 wurde Jennerwein laut Gerichtsakten von seinem früheren Freund Johann Josef Pföderl auf einer Waldlichtung am Peißenberg hinterrücks erschossen. Seine Leiche fand man erst am 14. Nov. 1877. Die rechte große Zehe steckte im Abzug seines Gewehres und der Unterkiefer war zerschmettert. Ein Teil der Wange mit dem rechten Schnurrbart hing in den Ästen einer Fichte. Eine zusätzliche Schussverletzung befand sich im Rücken, die aber nicht tödlich war.
Obwohl Pföderl immer wieder seine Unschuld beteuerte, und Verdachtsmomente auf den Jäger Simon Lechenauer hinwiesen, wurde Pföderl zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, wobei ihm vier Monate Untersuchungshaft angerechnet wurden. Förster Mayr versetzte darauf Pföderl in die Valepp, unterhalb des Spitzingsees. Dort wurde er gemieden, begann zu trinken, und starb nach einem eintägigen Krankenhausaufenthalt am 12. Juli 1889 in Tegernsee. Durch die mysteriöse Todesursache, Georg Jennerwein betreffend, und vor allem durch die Schussverletzung im Rücken, wurde der "Wildschütz Jennerwein" zu einer Legende, der gegen die Obrigkeit aufgemuckt hatte, und der bis zum heutigen Tag im Volk lebendig blieb. Georg Jennerwein, er wurde nur 29 Jahre alt, ist unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Westenhofen beerdigt worden. Doch so mysteriös wie sein Tod, so mysteriös ist auch die letzte Ruhestätte des Wildschützen. Das heißt, bis heute weiß man nicht mit Sicherheit zu sagen, an welcher Stelle Georg Jennerwein wirklich begraben liegt. 1890 und 1900 wurde der Westenhofener Friedhof erweitert. Einflussreiche Gemeinderatsmitglieder wollten ihre Angehörigen nicht neben Jennerwein beerdigt wissen. Sie versetzten kurz entschlossen sein Grabkreuz an einen anderen Platz. Während des 2. Weltkrieges verwilderte Jennerweins Grab. 1947 bezahlte der "Peißl Wastl" die fünf Mark Aufstiftungsgebühr, damit das Grab erhalten blieb.
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